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Das Zeichen

Wie in der Liebe alle Tugenden zum Ziel kommen

„... aber die Liebe ist die größte unter ihnen“: Warum wir nur dann wirklich gut sind, wenn wir lieben, und wie die göttlichste aller Tugenden in unserem Leben Wirklichkeit werden kann. Eine Reise ins „Hohelied der Liebe“.

Was denken Sie: Was für ein Mensch sollte jemand sein, der Jesus Christus nachfolgt? Die biblischen Autoren bringen es ohne Umschweife auf den Punkt: Christen sollten vor allem eins sein – Menschen, die lieben. Wenn ein Mensch zu glauben beginnt, wenn er anfängt, mit Jesus Christus zu leben, dann spricht die Bibel davon, dass er „von Neuem geboren“ wird (Johannes 1,12f) und Gott ihm seinen Geist schenkt (Epheser 1,13). Von da an lebt Jesus Christus in ihm – und zwar nicht bloß symbolisch, sondern ganz real (Galater 2,20; Kolosser 1,27).

Woran aber kann man erkennen, dass man Gottes Geist besitzt und Jesus Christus wirklich in einem lebt? Dafür gibt es einige Anzeichen, aber das offensichtlichste ist die Antwort auf eine ganz schlichte Frage: Liebe ich so, wie Jesus es tut? Fließt die Liebe Gottes durch mich hindurch hin zu anderen – hin zu meinem Partner, meinen Kindern, meinen Eltern, meinen Freunden und Kollegen? Gilt sie auch denen, die nicht zu meiner „Clique“ gehören und die mich vielleicht nerven? Und mehr noch: auch denen, die mir feindlich begegnen? Die Bibel macht unmissverständlich klar: Die Liebe ist das bestimmende Merkmal eines Menschen, der Jesus Christus nachfolgt. Darum nennt der Apostel Paulus sie auch den Weg, der „alles übersteigt“ (1. Korinther 12,31).

Sie wollen ein außergewöhnliches Leben führen? Sie wollen, dass es von Bedeutung ist? Sie suchen nach echtem Erfolg? Dann lernen Sie zu lieben! Aber nicht auf irgendeine selbst definierte, schwammige Weise, sondern mit der Liebe von Jesus Christus (Epheser 5,1+2)! Klingt einfach? Ist es aber nicht. Es ist leicht, mich als liebevollen Menschen zu sehen, während ich freitagsabends auf dem Sofa liege und der Sieg meiner Lieblingsmannschaft mir die Tränen in die Augen treibt. Aber warten Sie nur, bis jemand meine Schwächen anspricht oder mein männliches Ego bedroht! Oder warten Sie, bis Sie eine ganz normale, durchschnittliche christliche Gemeinde besuchen und wieder und wieder entdecken müssen, dass die Leute dort die Sache mit dem Glauben nicht so toll „drauf haben“ wie Sie selber! Die Wahrheit ist: Unsere Reise hin zu echter Liebe, ist die schwierigste und herausforderndste unseres Lebens – doch ist sie die einzige, die von Bedeutung ist.

Der beste Weg

Das „Hohelied der Liebe“ aus 1. Korinther 13 ist dafür der beste Reiseführer. Der Text stammt aus einem Brief des Apostels Paulus an die frühe christliche Gemeinde in der griechischen Hafenstadt Korinth. Einst war Korinth das ökonomische und kulturelle Zentrum der Welt gewesen. Aber seine Glanzzeit wurde jäh beendet, als im Jahr 146 v. Chr. römische Armeen die Stadt einnahmen, sie niederbrannten, die Männer töteten und die Frauen und Kinder in die Sklaverei verschleppten.

Knapp 100 Jahre später baute Julius Cäsar die Stadt wieder auf und schon bald war Korinth wieder eine der angesagtesten Städte überhaupt – ein Handelszentrum mit rund 30.000 Einwohnern, das alle zwei Jahre während der „Isthmischen Spiele“, einer Mischung aus Sport- und Kunstfestival, auf über 100.000 Einwohner anschwoll. Kein Wunder also, dass in Korinth eine ausgeprägte Wettkampf-Atmosphäre herrschte, in der die Elite miteinander um Ruhm, Ehre und Macht wetteiferte.

Mitten hinein in diese Atmosphäre trat im Jahr 50 n. Chr. ein Mann mit Namen Paulus, die Botschaft von Jesus Christus im Gepäck. Und diese „Frohe Botschaft“, das Evangelium, konfrontierte die Korinther mit gänzlich anderen Werten als jenen, die in Korinth als erstrebenswert galten. Die christliche Botschaft sprach davon, dass Gott, als er in Jesus auf die Erde kam, auf Macht und Ehre verzichtete und stattdessen den Weg der Liebe wählte (1. Korinther 1,18–31).

Leider begriffen die Christen in Korinth das nicht so richtig. Und so musste Paulus seinen Brief an eine Gemeinde richten, die von elitärem Denken, Machtspielen, Rechtsstreitereien, sexueller Unmoral und einer „Wir-gegen-die-anderen“-Mentalität gezeichnet war: Die sich reifer wähnenden Christen, die eigentlich gegenüber den jüngeren und unerfahreneren Rücksicht hätten üben und sie demütig hätten begleiten sollen, pochten auf ihre vermeintliche „christliche Freiheit“ und ihre „Rechte“. Und schon bald begann diese selbstsüchtige Haltung das Gemeindeleben zu ersticken. Selbst beim Feiern des Abendmahls verhielten die Leute sich egoistisch und schroff gegenüber anderen Gemeindemitgliedern.

Paulus schrieb seinen Brief also an Menschen wie Sie und mich: an Nachfolger von Jesus Christus, die Teil einer christlichen Kirche sind, die nur allzu selten unseren Idealen entspricht; an eine Gemeinschaft gebrochener, sündhafter Menschen, die mit sich und oft auch mit anderen ringen und die trotzdem aufrichtigen Herzens versuchen, dem Auferstandenen nachzufolgen.

Mit diesem Wissen im Hinterkopf beginnt Paulus das 13. Kapitel seines Briefes an die Korinther mit drei Sätzen, deren stakkatohaftes „Wenn-wenn-Wenn“ alle aufrütteln sollte. Paulus gibt den korinthischen Christen einen regelrechten „Tritt“, wenn er sagt: „Ihr denkt, ihr wärt in eurem geistlichen Leben bereits angekommen? Ihr denkt, ihr wärt reif? Leider muss ich euch sagen: Ihr seid immer noch Kleinkinder, weil euer Leben noch längst nicht von der Liebe durchdrungen ist, mit der Jesus Christus liebte! Ihr lebt nicht, wie ihr es laut dem Evangelium solltet, denn dort ist von ,Christus in euch‘ die Rede!“ Und dann führt er viele gute geistliche Gaben auf – von denen die Korinther glaubten, sie besäßen sie im Überfluss: „Wir reden in fremden Sprachen“, brüsteten sie sich. „Und wir haben die Gabe der Prophetie, der Erkenntnis und des Glaubens! Ja, wir sind schwer damit beschäftigt, große Dinge für Gott zu tun. Wir schuften uns wirklich ab!“ Leider aber machte ihre ganze vermeintliche Geistlichkeit sie nicht liebevoller – sie machte sie vielmehr selbstbezogen, arrogant und grob! Darin liegt eine ernüchternde Warnung für alle, die sich Christen nennen: Frömmigkeit – falsch verstanden und falsch ausgelebt – kann uns schlechter machen, nicht besser! Geistliche Geschäftigkeit, ja selbst die Gaben, die Gottes Geist uns schenkt, können uns von Jesus und unserem Auftrag in dieser Welt abhalten. Genau darum stellt Paulus drei Dinge klar:

„Geistliche Geschäftigkeit kann uns von Jesus und unserem Auftrag in dieser Welt abhalten.“

1. Liebe ist wichtiger die „Sprache der Engel“

Die in Vers 1 erwähnte Sprache „der Menschen und der Engel“ bezieht sich auf die geistliche Gabe der „Sprachenrede“ – auf ein vom Geist Gottes inspiriertes Sprechen, das der Sprechende selbst nicht versteht. Für die Korinther war der Beweis, hinsichtlich dieser Gabe ganz oben angekommen zu sein, wenn sie die „Sprache der Engel“ beherrschten. Doch diese Gabe auszuüben ohne die tiefe Sehnsucht, Gemeinschaft aufzubauen, andere zu lieben, zu achten und im Glauben zu fördern, ergab überhaupt keinen schönen Klang. Paulus vergleicht ihn mit einem „dröhnenden Gong“, auf den man wieder und wieder einschlägt. Ein Gong ist laut und zieht damit alle Aufmerksamkeit auf sich – ist aber in Wirklichkeit hohl. Er macht Lärm, aber er spielt keine Melodie. Zu behaupten, Jesus nachzufolgen, aber keine Liebe zu haben, bedeutet, ein ohrenbetäubender, nerviger Gong zu sein.

2. Liebe ist wichtiger als Erkenntnis und Glaube

Auch im nachfolgenden Text führt Paulus ganz wunderbare Gaben auf, die die Christen in Korinth besaßen und auf die sie mächtig stolz waren. So hatten einige zum Beispiel die Gabe der Prophetie, jene Gabe, der Paulus regelmäßig eine vorrangige Bedeutung für die Gemeinde bescheinigte (z. B. 1. Thessalonicher 5,19+21; 1. Korinther 14,1–25), denn Prophetie verkündete den Menschen Gottes Wort. Dazu kam die Erkenntnis, also das Verstehen göttlicher Geheimnisse – Dinge, die ein Mensch niemals aus sich heraus erkennen kann, sondern die er nur versteht, wenn Gott sie ihm offenbart. Und darüber hinaus besaßen sie einen außergewöhnlich starken Glauben – einen Glauben, der „Berge versetzen“ konnte und Menschen zu großen Taten befähigte. Und als wollte er diesen Punkt so eindringlich wie möglich vermitteln, betont Paulus dreimal das Wort „alle“: Alle Geheimnisse, alle Erkenntnis, allen Glauben. Man hat fast den Eindruck, die Gemeinde in Korinth glich einer Cheerleader-Gruppe die immerzu ruft: „Wir haben den Geist! Ja, den haben wir! Wir haben den Geist! Und was habt ihr?“ Bedauerlicherweise machte all das sie nicht liebevoller. Es machte sie bloß arrogant und unsensibel im Umgang mit anderen. Ohne Liebe jedoch addieren sich all unsere Gaben, all unser Erkennen, alle Geistlichkeit, alle Reife, all unser „Rechthaben“ zu einer riesigen Null: „... aber ich keine Liebe habe – dann bin ich nichts!“ Paulus schreibt nicht bloß: „Dann habe ich nichts bewirkt“, sondern „Dann bin ich nichts!“

3. Liebe ist wichtiger als gute Taten

Und zu guter Letzt nimmt Paulus in Vers 3 die Taten der Barmherzigkeit und Hingabe in den Blick. Zur Illustration benutzt er das Bild eines Menschen, der seinen gesamten Besitz Stück für Stück an viele Menschen verschenkt. Es sollte uns aufrütteln, dass wir unser Bankkonto plündern und alles verkaufen könnten, was wir besitzen, oder auch nach Afrika fliegen und für Obdachlose sterben könnten – und all das dennoch ohne Liebe tun könnten. Wir können noch so Recht haben mit allem, was wir sagen, wir können uns dem Bibelstudium und geistlichen Ämtern widmen – bis an den Punkt, an dem wir unser Leben opfern – und doch nicht wissen, wie man liebt!

Der amerikanische Erweckungsprediger Jonathan Edwards sagte einmal: „Jemand mag viel um des Glaubens willen erleiden und doch keine echte Liebe im Herzen haben. Was immer Menschen tun – all ihre Mühe kann niemals aufrichtige Liebe in einem Herzen wettmachen. Was immer getan oder erlitten wird – wer sein Herz von Gott fernhält, der hat ihm nichts wirklich gegeben.“

Von innen nach außen

Was für eine ernüchternde Bestandsaufnahme: Die ach-so-hoch-entwickelte „Geistlichkeit“ der Korinther roch unangenehm nach Ungeistlichkeit und mangelnder Reife. Ihre „Erkenntnis“ machte sie stolz und führte dazu, dass die Schwächeren in der Gemeinde „zugrunde gingen“ (1. Korinther 8,11). Ihre „Weisheit“ sorgte für Streit und Rivalität (1. Korinther 3,1–4), und ihre „Sprachenrede“ ermutigte weder die Gemeinde, noch half sie dabei, dass Menschen, die Jesus Christus noch nicht kannten, Gottes Wort hörten (1. Korinther 14,1–25). Kurzum, ihrer Frömmigkeit mangelte es am entscheidenden Merkmal der Gegenwart des Heiligen Geistes: der Liebe.

Kennzeichnet die Liebe Ihr Leben? Sagen Menschen, die Sie kennen: „Die Liebe ist sein, ist ihr höchstes Ziel?“ Wenn nicht, ist Ihr Leben bloß ein lärmender Gong. Philipper 2,4 macht deutlich, wie Gottes Liebe ganz praktisch aussieht: „Ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient.“

Erst wenn wir beginnen, das Evangelium wirklich ernst zu nehmen, erst wenn die Botschaft von Jesus Christus und sein Heiliger Geist unser ganzes Leben und Sein durchdringen, dann wird auch die Liebe immer tiefere Wurzeln in uns schlagen, in uns wachsen und uns nach und nach verändern. Von innen nach außen.