Das letzte Wort hat die Gnade

Warum uns der Stammbaum von Jesus Christus Mut machen darf

Man kann sich im Leben vieles aussuchen, aber die Herkunft gehört nicht dazu. Sie können sich Ihre Eltern nicht aussuchen und auch nicht Ihre anderen Vorfahren. Da muss man nehmen, was man kriegen kann, ob es nun gut oder böse oder irgendetwas dazwischen ist. Doch bei Jesus, dem Sohn Gottes, war es anders. Denken Sie einmal über diese Tatsache nach: Jesus war die einzige Person der Geschichte, die sich Mutter, Vater, Großmütter und Großväter aussuchen konnte – und zwar den ganzen langen Weg zurück bis zum Anfang der Zeit. Wen hat er sich also ausgesucht? Sündlose, perfekte Leute, die immer das Richtige taten? Wohl kaum. Denn solche Leute gab es nicht.

In der Bibel finden wir so etwas wie den Familienstammbaum von Jesus. Das Faszinierende an den Geschichten seiner Vorfahren ist, dass sie mehr offenbaren als nur die Eigenheiten und Schwächen verzweifelter Menschen. Sie berichten uns vom Herzen Gottes. Der Stammbaum Jesu ist so eine Art Bewährungsprobe für die Liebe, Barmherzigkeit und Geduld des Allmächtigen in Bezug auf sein Volk. Und damit auch in Bezug auf uns.

Rahab, die Hure

Da war zum Beispiel Rahab. Sie war eine Amoriterin, die kein schönes Leben hatte. Es war für sie eine einzige große Enttäuschung. Als Kind hatte sie mit Sicherheit wie alle Frauen Jerichos diesen Traum von einem hübschen Häuschen und einem netten Ehemann, drei Kindern und einer eigenen Ziege gehabt. Was auch immer ihr Traum gewesen war, er hatte sich nicht erfüllt. Sie war Prostituierte geworden. Sie ließ Männer in ihr Haus hinein und war ihnen gegen Bezahlung zu Diensten. Was Gott als Ausdruck inniger Liebe zwischen Ehepartnern und zur Zeugung von Kindern vorgesehen hatte, war nun einfach ihr Job. Ein Job, um ein entbehrungsreiches Leben etwas leichter zu machen.

Sie kannte die Sehnsüchte der Männer, aber sie kannte nicht die Sehnsucht Gottes. Gab es so etwas wie eine Ahnung in ihrem Herzen, dass das Leben doch mehr für sie bereithalten müsste? Wir kennen nicht alle Hintergründe von Rahabs Leben, auch nicht die Situation, in der sie sich befand, als die israelitischen Spione vor ihrer Tür standen. Aber wir ahnen, dass Gott so etwas besonders gerne macht – sich in die Stadt zu schleichen und mit denen zu reden, die am Rande stehen. Er liebt es, sich bei denen bekannt zu machen, die wissen, dass sie sein Wohlwollen nicht verdienen. Er ist ein seltsamer Gott, denn er erwählt Menschen, die wir nicht erwählt hätten. Er zeigt seine Liebe ganz offen auch den Leuten, mit denen wir uns nicht unbedingt abgeben würden. Menschen wie Rahab.

Schauen Sie sich ihre Geschichte an, die im Buch Josua erzählt wird: Eines Tages besuchten zwei Männer aus dem Lager der Israeliten Rahabs Haus. Sie waren von ihrem Anführer Josua losgeschickt worden, um Jericho auszuspähen und die Situation vor Ort zu erkunden. Der König der Stadt erfuhr von den ungebetenen Besuchern und ließ Rahab die Nachricht überbringen, sie solle die Spione ausliefern. Doch anstatt zu gehorchen, versteckte Rahab die beiden Männer und belog die Stadtoberen. Sie brachte sie dazu, die Männer zu verfolgen, die aber noch gar nicht geflohen waren. Dann stieg Rahab auf das Dach, wo sich die Männer versteckt hielten, und sprach mit ihnen. Sie vertraute ihnen an, was sie über die Israeliten wusste, was sie über Gott wusste, was Gott schon für die Israeliten getan hatte, und wie die Leute im Land vor ihnen Angst hatten. Rahab traf eine Absprache mit den Spionen: Sie bat sie darum, ihr Leben zu schonen, und die Spione willigten ein, sie und ihre Familie gnädig zu behandeln. Rahab sollte als Zeichen ein rotes Seil in ihr Fenster hängen und ihre Familie in ihrem Haus versammeln, wenn die Belagerung begann.

„Lassen Sie sich nicht durch die Scham über Ihr Versagen davon abbringen, sich für Gott zu öffnen.“

Dann half sie den Spionen, sich an einem Seil die Stadtmauer hinunterzulassen, und als diese bei Josua ankamen, berichteten sie ihm alles. Der Anführer der Israeliten wusste, dass Gott dadurch bestätigte, dass er das Land in ihre Hände gegeben hatte. Als die Israeliten mit der Bundeslade den Jordan überquerten, verschlossen die Einwohner von Jericho alle Tore. Sechs Tage lang umkreisten die Israeliten die Stadt, bis am siebten Tag auf wundersame Weise die Mauern von Jericho einstürzten. Rahab und ihre Familie waren die einzigen Einwohner Jerichos, die den darauf folgenden Kampf überlebten. Von da an wohnte sie unter den Israeliten und wurde zu einer der Ahnfrauen des Messias. Rahab, eine Ausländerin, eine Prostituierte, eine Frau, die Schuld auf sich geladen hatte (Buch Josua, Kapitel 2 und 6).

Der Weg der Gnade

„Rahab, die Hure“ – durch die Jahrhunderte hindurch hat man Rahab so gebrandmarkt und in eine Schublade gesteckt. Sie wurde mit einem Schimpfwort belegt, um ihre Menschlichkeit und Würde zu verdecken. Sie wurde durch das definiert, was sie getan hat. Traurigerweise tun Christen oft genau das Gleiche: Wir brandmarken andere und stecken sie in Schubladen, und indem wir das tun, schließen wir sie aus, richten über sie und halten Menschen, die Gottes Gnade brauchen, von uns fern. Es ist typisch menschlich, dass wir die mögen, die so sind wie wir, die genauso denken wie wir, die unsere Musik hören. Aber das ist, Gott sei Dank, nicht der Weg Gottes, nicht der Weg der Gnade.

Wir haben alle unsere Leichen im Keller. Menschen in unserem Familienstammbaum, die wir gerne übergehen oder verstecken würden. Wenig ehrenwerte Typen im Familienalbum. Aber Rahabs Problem waren nicht die Leichen im Keller, sondern die Dinge, die sie selbst unter den Teppich gekehrt hatte. Die Dinge, die sie getan hatte, um Essen auf den Tisch zu bekommen. Die Verachtung, die sie auf sich gezogen hatte, weil sie war, wer sie war. Sie hatte allen Grund, vor Gott davonzulaufen oder Angst vor den Oberen von Jericho zu haben. Aber irgendetwas zog sie zu dem Gott hin, der auf wunderbare Weise ein Volk durch die Einöde geführt hatte. Vielleicht erkannte sie, dass sie in ihrem eigenen Leben ein Wunder dringend nötig hatte. Sie gab sich nun ganz der Suche hin nach etwas, das ihrem Leben Sinn verleihen würde. Sie überlässt sich der Barmherzigkeit derer, die sie versteckt hatte. Sie vertraut sich ganz und gar einem Volk an, das sie nicht kennt, und einem Gott, den sie nicht versteht. Bis die Gnade ganz unerwartet in ihr Leben tritt. Diese Gnade wird nicht nur in ihrem Leben tiefgreifende Auswirkungen haben, sondern auch in den Leben derer, die nach ihr kommen. Sie werden an Rahab erkennen können, wie groß die Gnade und Liebe Gottes ist.

Der Autor des Hebräerbriefes schreibt: „Durch den Glauben kam die Hure Rahab nicht mit den Ungehorsamen um, weil sie die Kundschafter freundlich aufgenommen hatte“ (Hebräer 11,31). Manche fragen sich jetzt vielleicht, ob die Geschichte von Rahab uns nicht eigentlich sagen will, dass Gott nichts gegen Lügen hat. Aber hat Gott Rahab geehrt, weil sie den König von Jericho in die Irre geführt hat? Keineswegs. In der Bibel werden viele Dinge wahrheitsgetreu berichtet, die Gott nicht gutheißt und an denen wir uns auch kein Beispiel nehmen sollen. Das ist einer der Gründe, weswegen man der Heiligen Schrift vertrauen kann. Sie versteckt die Wahrheit nicht unter einem süßen Sahnehäubchen nach dem Motto: „Rahab war eine gottesfürchtige Frau, die nur ein paar Fehler hatte.“ Das ist nicht wahr. „Rahab lud gerne Gäste zu sich ins Haus ein, und so kam es, dass sie eines Tages zwei Spione aus Israel kennenlernte ...“ Nein! Rahab war eine Prostituierte – Punkt. Es gibt keinen Grund dafür, dass sich Gott jemandem mit einem so schlechten Ruf und Lebenswandel zuwenden sollte.

Doch das ist der Weg der Gnade. Und das ist der Weg, auf dem Gott auch in Ihrem Leben wirken möchte, wenn Sie ihn lassen. Gott reicht es nicht, wenn Sie einfach nur etwas über ihn wissen. Sein Ziel für Ihr Leben ist es nicht, dass Sie vor ihm Angst haben. Sein Verlangen ist es, Sie durch Gnade zu sich zu ziehen, in welcher Situation auch immer Sie gerade sind, und in Ihrem Leben seine Liebe und Barmherzigkeit zu offenbaren. Vielleicht würden Sie Gott am liebsten sagen: „Aber verstehst du denn nicht? Du weißt nicht, was ich getan habe! Oder was mir angetan worden ist!“

Himmlische Spione

Rahab verkaufte ihren Körper. Sie lebte am Rande der Gesellschaft und am Rande der Stadt in einem Haus, das in die Stadtmauer von Jericho hineingebaut war. Sie könnte nicht noch weiter am Rande des Lebens gestanden haben. Es gibt vieles, was wir nicht wissen, doch eins wissen wir: Gott hat Rahab in seiner Gnade dazu erwählt, eine Ur-Ahnin von Jesus, dem Messias, zu werden.

Doch zunächst war Rahab einfach eine Frau in Not. Was sie brauchte und was auch Sie und ich brauchen, ist eine Reinigung, die bis in die Tiefen der Seele dringt. Wir haben es nötig, in der reinigenden Gnade Gottes zu baden. Sie kann die dunklen Flecken auf unserer Seele abwaschen, die wir selbst nicht entfernen können, so sehr wir uns auch darum bemühen – Verletzungen, die wir erlitten, falsche Entscheidungen, die wir getroffen haben, und anderes mehr. Die großartige Nachricht, das unglaubliche, unvorstellbare Angebot Gottes ist Folgendes: dass das Unheilige heilig, das Befleckte rein werden kann. Nicht, weil wir Gott etwas anzubieten hätten, sondern allein aufgrund der Güte und der Barmherzigkeit unseres Schöpfers.

Der einzige Weg zu wahrer Heilung und Ganzheit ist es, dass wir Gott erlauben, so in unserem Leben zu wirken, wie er wirken will. Wenn wir den Prozess der Reinigung und Heilung durch Gott mithilfe unserer eigenen Anstrengungen umgehen wollen, verpassen wir Entscheidendes. Wir verpassen seine Gnade. Rahab wurde nicht gerecht und nicht in die Ruhmeshalle der Glaubenshelden im Hebräerbrief aufgenommen, weil sie einen sozialen Dienst unter Prostituierten angefangen hätte. Rahab glaubte. Sie glaubte, dass Gott existiert. Sie glaubte, dass er mächtig und der einzig wahre Gott ist. Und in gewisser Weise glaubte sie auch, dass dieser Gott die Kraft hatte, ihr Leben zu verändern.

Wahrheit und Gnade – wenn Sie Gott vertrauen und diesen beiden „Spionen“ die Tür öffnen, wenn Sie die Wahrheit über sich selbst erkennen und über Gott, dann werden Sie auch die positiven, weitreichenden Auswirkungen erahnen, die seine Gnade in Ihrem Leben haben kann. Die Wahrheit wird Sie zur Umkehr und Buße führen und die Gnade wird Ihnen Hoffnung geben. Die Lüge Satans lautet: „Du verdienst es nicht, hier zu sein! Du bist ein elendes Stück Mensch! Du wirst immer von deiner Vergangenheit verfolgt werden. Du verdienst es nicht, Gottes Kind zu sein!“ Das Flüstern der Gnade aber sagt: „So gibt es nun keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind ...“ (Römer 8,1). Rahab war eine gefallene Frau, die einem heiligen Gott begegnete, der sie nicht abschrieb und ihr nicht wehtun wollte. Die Schutzmauern, die sie um ihr Herz herum errichtet hatte, stürzten in sich zusammen. Sie ließ Gott in ihr Leben. So wurde sie nicht nur in die Liste der Glaubenshelden aufgenommen, sie wurde sogar dazu erwählt, zur Blutlinie des Erlösers zu gehören.

Lassen Sie sich nicht durch die Scham über Ihre Vergangenheit und das Versagen, das Sie erlebt haben, davon abbringen, sich für Gott zu öffnen. Lassen Sie sich nicht länger durch Ihre Schuld versklaven. Gott will Ihr Leben verändern. Er will Sie nicht nur befreien und erlösen. Wie Rahab können Sie Gott auf ganz neue Weise kennenlernen und ihm nachfolgen. Rahabs Leben, das durch ihre Vergangenheit so belastet war, wurde tiefgreifend verändert. Sie heiratete einen israelitischen Fürsten, Salomon, und wurde die Ur-Ur-Großmutter von König David. Erlauben Sie diesem Gott der überwältigenden, unglaublichen, außergewöhnlichen Gnade, die Mauern Ihres Herzens einzureißen. Erlauben Sie der Liebe Gottes, die Ihnen in Jesus Christus begegnet, Sie zu reinigen und aus Ihnen einen neuen Menschen zu machen. Glauben Sie der Wahrheit über seine Gnade. So, wie Rahab mitsamt ihrer Familie gerettet wurde, ist auch für Sie Rettung möglich, wenn Sie „in Christus“ sind. „Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden“ (2. Korinther 5,17).