Gut zu erkennen

Motivation

Wir wollten wissen, wo man im Alltag Liebe findet. Echte, aufrichtige, ansteckende Liebe, die frei ist von jeder Form der Erwartung und Kondition. Da lag es sehr nahe, bei einem jungen Gemeindegründer nachzufragen, ob nicht gerade die Gemeinde ein geeigneter Ort dafür wäre. Markus Malessa hat darüber nachgedacht.

Kürzlich las ich von einer Studie zum menschlichen Sozialverhalten und fand dieses Beispiel aus einem afrikanischen Dorf sehr bemerkenswert: In diesem Dorf gab es keinerlei technische Gerätschaften, wie zum Beispiel Waschmaschinen, so dass die Frauen gemeinsam mit der schweren Wäsche von ihrem Haus bis zum Flussufer gehen und sie dort von Hand waschen mussten. Als dann der Fortschritt einzog und auch dieses Dorf Geräte bekam, die das alltägliche Leben einfacher machen sollten, wurde eine große Veränderung sichtbar: Tatsächlich war das Wäschewaschen nun nicht mehr so mühsam, kein langer Weg mehr zum Fluss, kein Waschen von Hand mehr nötig. Doch was wie ein großer Fortschritt aussieht, hatte auch seinen Preis: Die Frauen im Dorf verbrachten nun immer mehr Zeit allein zu Hause. Bisher hatten sie sich mit den anderen zum gemeinsamen Waschen am Flussufer verabredet, und da ging es nicht nur um das Erledigen von Arbeit, sondern auch um die Gemeinschaft. Dieser Aspekt fiel nun nach und nach in sich zusammen.

Ganz schön gesund

Damit mache ich einen Schwenk. Die Bibel ermutigt uns: „Versäumt nicht die Zusammenkünfte eurer Gemeinde, wie es sich einige angewöhnt haben. Ermahnt euch gegenseitig dabeizubleiben. Ihr seht ja, dass der Tag nahe ist, an dem der Herr kommt.“ (Hebräer 10,25) Menschen sind für die Gemeinschaft gemacht, das ist keine neue Erkenntnis. Nicht nur die Bibel spricht davon, sondern es wird auch immer wieder wissenschaftlich belegt. Zum Beispiel haben diverse Untersuchungen ergeben, dass anhaltende soziale Isolation und Einsamkeit Einfluss auf unsere Gesundheit haben und sich unter anderem durch Herz Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen, Angstzustände, erhöhten Stress und ein geschwächtes Immunsystem ausdrücken. Klingt ganz so, als wäre es ziemlich gesund, regelmäßig in die Gemeinde zu gehen. Wie hat Gott sich das eigentlich gedacht? Schauen wir uns mal an, was wir über den Prototypen wissen: 

„Alle, die zum Glauben an Jesus gefunden hatten, ließen sich regelmäßig von den Aposteln unterweisen und lebten in enger Gemeinschaft. Sie feierten das Abendmahl und beteten miteinander. Eine tiefe Ehrfurcht vor Gott erfüllte alle Menschen in Jerusalem, und er wirkte durch die Apostel viele Zeichen und Wunder. Die Gläubigen lebten wie in einer großen Familie. Was sie besaßen, gehörte ihnen gemeinsam. Wenn es an irgendetwas fehlte, war jeder gerne bereit, ein Grundstück oder anderen Besitz zu verkaufen und mit dem Geld den Notleidenden in der Gemeinde zu helfen. Tag für Tag kamen die Gläubigen einmütig im Tempel zusammen und feierten in den Häusern das Abendmahl. In großer Freude und mit aufrichtigem Herzen trafen sie sich zu den gemeinsamen Mahlzeiten. Sie lobten Gott und waren im ganzen Volk geachtet und anerkannt. Die Gemeinde wuchs mit jedem Tag, weil der Herr viele Menschen rettete.“ (Apostelgeschichte 2,42–47)

Ein Ort für alle

Wie können wir heute diese ursprüngliche Vision von Gemeinde tatsächlich leben? Jesus lehrt uns, dass die Liebe zueinander das Erkennungszeichen für seine Jünger sein soll. Wie das im Alltag aussehen kann, wollten wir bei einem Visionswochenende unserer Gemeinde herausfinden. Wir stellten die Frage: „Wie müsste die perfekte Gemeinde für dich sein?“ Die Antwort liegt möglicherweise in einem Gemeindeleben, das nicht nur auf Traditionen oder festen Strukturen basiert, sondern das die Liebe Gottes auf eine Weise verkörpert, die zeitgemäß und relevant für die Menschen ist. Eine Gemeinde, die untereinander Liebe lebt, beginnt bei der Authentizität. Es ist ein Ort, an dem Menschen ungeachtet ihrer Herkunft, ihres sozialen Status oder ihrer Lebensgeschichte angenommen werden. Es ist ein Raum, der von echten Beziehungen geprägt ist, in dem die Menschen füreinander da sind, sich gegenseitig unterstützen und einander ermutigen, ohne Urteil oder Vorurteil. 

Eine Gemeinde mit Willkommenskultur. Eine, die versteht, dass der sonntägliche Gottesdienst lediglich ein Element von vielen ist, die Gemeinde ausmachen, und dass es Bausteine gibt, die viel zentraler sind. Eine, die auf einem starken Fundament von Gemeinschaft und Zusammenarbeit aufbaut. Die die Sicht der Bibel – zum Beispiel Apostelgeschichte 2 – teilt und auch Räume schafft, in denen Menschen nicht nur zum Feiern von Gottesdiensten zusammenkommen. Räume, in denen man auch im Alltag füreinander da sein kann. Und will! Wir sprechen hier ausdrücklich nicht von Räumen als Bausubstanz, sondern als Erlebnis- und Erfahrungsorte. Das kann bedeuten, sich in Kleingruppen zu treffen, um gemeinsam zu beten, die Bibel zu studieren oder sich gegenseitig in praktischen Belangen des Lebens zu unterstützen. Aber auch darüber hinaus ist eine liebevolle Gemeinde offen für die Bedürfnisse ihrer Umgebung. Sie engagiert sich aktiv in sozialen Projekten, um Menschen in Not zu helfen und um die Gemeinde als Ort der Hoffnung und des Trostes zugänglich zu machen. 

„Eine Gemeinde, die untereinander Liebe lebt, ist ein Ort, an dem Menschen ungeachtet ihrer Herkunft, ihres sozialen Status oder ihrer Lebensgeschichte angenommen werden.“

Wirklich willkommen

Schlussendlich ist eine Gemeinde, die Liebe untereinander lebt, kein geschlossener Kreis von Gleichgesinnten, sondern eine offene Tür für alle, die auf der Suche nach Gemeinschaft, Liebe und Glauben sind. Wir haben leider auch Beispiele erlebt, in denen das nicht so toll lief. Wenn man wochenlang immer wieder eine Gemeinde besucht, aber dort kein einziges Mal von Menschen angesprochen wird, dann ist das sehr schade. Dann können Predigt und Worship absolute Spitzenklasse sein, aber man wird wohl mit großer Wahrscheinlichkeit trotzdem nicht wieder hingehen, weil man sich wie ein unwillkommener Fremdkörper fühlt. Tobias Teichen (ICF München) hat im Rahmen der Pastoren- und Keyleader-Ausbildung folgenden Satz gesagt: „Wenn wir Kirchen bauen, werden wir nicht zwangsläufig Jüngerschaft leben, aber wenn wir Jüngerschaft leben, werden wir Kirchen bauen.“

„Wenn wir Kirchen bauen, werden wir nicht zwangsläufig Jüngerschaft leben, aber wenn wir Jüngerschaft leben, werden wir Kirchen bauen.“

Wenn Menschen das lebendige Zeugnis der göttlichen Liebe in der Gemeinschaft sehen, werden sie davon angezogen. Nicht nur wegen der Programme oder Veranstaltungen, die es vielleicht gibt, sondern wegen der aufrichtigen Liebe, die dort zu finden ist. In diesem Sinne wünsche ich mir Gemeinden als Erkennungszeichen für die Liebe Gottes. Gemeinden, in denen jeder beiträgt, was er kann.