Engel zu Gast

Kolumne

Was, wenn die Dinge anders sind, als sie scheinen? Wenn das Leben einen richtig überrascht und man sich am Ende fragt: Warum ist mir das nicht früher aufgefallen? Doris Schulte erzählt von einer Frau, mit der sie genau so etwas erlebt hat, und macht uns Mut, öfter mal den Impulsen unseres Herzens zu folgen.

Dageblieben

Weil ihre Heimfahrt mit dem Zug nach einer meiner Wochenendfreizeiten erst für den folgenden Montag gebucht war, lud ich sie abends zum Essen ein, damit sie nicht mutterseelenallein im Gästehaus zurückbleiben musste. Nachdem sie am nächsten Tag wieder zuhause angekommen war, erzählte sie mir Folgendes: „Vielen Dank für den schönen Abend und für die Geschenke. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich über diesen Abend mit dir gefreut habe. Ich selbst werde selten eingeladen und noch nie habe ich so schön eingepackte Geschenke bekommen. Und wenn ich mit Fieber im Bett liege, habe ich niemanden, der mir eine Tasse Tee ans Bett stellt. Nur mit Jesus packe ich meine Einsamkeit.“

Ahnungslos

Ich hatte keine Ahnung, welche Freude ich dieser Frau machte, indem ich sie zum Essen einlud und ihr ein paar Kleinigkeiten schenkte. Ich musste lange über diese Begegnung nachdenken und auch darüber, mit wie wenig man einem Menschen so viel Freude bereiten kann! In 1. Petrus 4,9 steht: „Seid gastfrei gegeneinander, ohne zu murren!“ Und in Hebräer 1,1–2 werden wir aufgefordert: „Hört nicht auf, einander zu lieben. Vergesst nicht, Gastfreundschaft zu üben, denn auf diese Weise haben einige, ohne es zu wissen, Engel bei sich aufgenommen!“ Dieser Vers weist uns alle an, Menschen Liebe zu erweisen, indem wir ihnen Nahrung und Unterkunft geben, was auch mal in einem schönen Restaurant oder Hotel sein kann.

„Ich musste lange über diese Begegnung nachdenken und auch darüber, mit wie wenig man einem Menschen so viel Freude bereiten kann!“

Freundlich sein

Das Wort „gastfreundlich“ bedeutet wörtlich „freundlich sein zu Fremden“ und spricht davon, reisenden Menschen Unterkunft und Essen zugeben. Diese Praxis war unerlässlich, weil es zur damaligen Zeit nur wenige öffentliche Gasthäuser gab. Ein christliches Heim bot nicht nur Essen, sondern auch Gemeinschaft und Schutz. Solche Gastfreundschaft wird als eine Pflicht angesehen, die man ohne Groll, Nörgelei oder Klagen auf sich nehmen sollte. Gastfreundschaft sollte als Dienst an Jesus selbst betrachtet werden, wobei ganz viel Liebe schon allein in einer Tasse Kaffee und einem Stück gekauftem Kuchen stecken kann. Liebe und Gastfreundschaft sind ein dynamisches Duo, das Menschen Gesellschaft anbietet und ihnen das Gefühl vermittelt, dass sie wertvoll und integriert sind. So wird die Gemeinde Jesu auch heute noch gebaut und beflügelt, und auf diese Art und Weise begegnen wir selbst so manch einem Engel!