Der Gott, den ich liebe

Inspiration

Wir sollen Gott lieben, lesen wir in der Bibel, und es wird uns auch erklärt, wie wir das machen sollen. Nachzulesen im Matthäusevangelium, im Doppelgebot der Liebe – und im Beitrag von Eva Dittmann. Damit eröffnet sie eine Trilogie, die auf den nächsten Seiten folgt. Denn die Bibel spricht nicht nur davon, dass wir Gott lieben sollen. Aber das ist der Anfang.

Unser Herz ist wie ein Wasserball. Egal, wie sehr oder wie oft wir versuchen, den Ball unter Wasser zu halten, wird er doch niemals dort bleiben. Er wird immer wieder versuchen, aus unseren Händen und Füßen herauszugleiten und nach oben zu dringen. Denn sein natürlicher Drang, seine innere Ausrichtung, zieht ihn immer wieder zurück an die Oberfläche. Genauso drängt uns auch unser Herz immer wieder zurück zu dem hin, worauf es ausgerichtet ist – zu dem, was es tief im Inneren liebt, zu unserer endgültigen Liebe. Die Frage ist jetzt nur: Worauf ist Ihr Herz denn eigentlich ausgerichtet?

Jeder liebt etwas

Wir Menschen sind von Natur aus, von der Schöpfung her, liebende Wesen. Wir alle lieben etwas. Und dabei geht es jetzt nicht um die durch unsere Kultur so verwässerte und romantisierte Liebe, die so flüchtig und unzuverlässig ist wie ein Halm im Wind. Vielmehr geht es um die tief im Herzen sitzende Liebe, die mein ganzes Leben prägt. Eine Liebe, die mein Verhalten bestimmt. Die meine Sicht auf die Welt ausrichtet. Die mir eine Vision von einem guten Leben vermittelt – eine Vision von einem Königreich, in dem wir leben wollen, in dem wir aufblühen können. Diese Liebe spiegelt unsere tiefsten Wünsche und Sehnsüchte wider. Das, was unser Herz verzaubert. Das, was unser Herz erfüllt. Was wir uns am allermeisten wünschen und wonach wir streben. Wir alle lieben irgendetwas in dieser endgültigen Weise. Wir alle beten irgendetwas an.

Was wir anbeten

David Foster Wallace, ein amerikanischer Schriftsteller und Mann, der selbst mit dem christlichen Glauben nichts zu tun hatte, formulierte in einer bekannten Rede einmal Folgendes: „So etwas wie nicht anbeten gibt es nicht. Jeder betet an. Aber wir haben die Wahl, was wir anbeten. Und es gibt wirklich einen außerordentlich guten Grund, irgendeine Art Gott oder ein anderes geistliches Wesen anzubeten – sei es Jesus Christus, Allah, Jahwe, die Wikkanische Muttergottheit oder die vier edlen Wahrheiten. Denn alles andere wird dich zerstören.“

Wenn, dann …

Wallace drückt hier eine ganz biblische Idee aus: Wenn wir unser Herz an etwas hängen, was nicht Gott ist, wenn wir unser Herz an irgendeine geschaffene Realität hängen, geben wir es einem geistlichen Hamsterrad hin. Es gibt uns zwar das Gefühl, voranzukommen, aber in Wirklichkeit wird es uns auf ewig enttäuschen und am Ende absolut auslaugen. Wallace konkretisiert diesen Gedanken und nennt dazu einige Beispiele: „Wenn du Geld oder andere Dinge anbetest, wirst du niemals genug bekommen. Wirst du niemals das Gefühl haben, genug zu haben. Das ist die Wahrheit. Wenn du deinen eigenen Körper, deine Schönheit und deinen Sex-Appeal anbetest, wirst du dich immer hässlich fühlen, und wenn du anfängst, alt zu werden, wirst du tausend Tode sterben, bevor du wirklich stirbst … Wenn du Macht anbetest, wirst du dich immer schwach und ängstlich fühlen und nach immer mehr Macht streben, um die Angst fernzuhalten. Wenn du deinen Intellekt anbetest, den Wunsch hast, dass alle dich als klug sehen, wirst du dich immer dumm fühlen, als jemand, der andere verblendet und nur noch darauf wartet, entdeckt zu werden.“

„So etwas wie nicht anbeten gibt es nicht. Jeder betet an. Aber wir haben die Wahl, was wir anbeten.“

Keine Zumutung

Wenn Gott uns also im alttestamentlichen „Schma Jisrael" (5. Mose 6,4–5) und im neutestamentlichen Doppelgebot der Liebe (Matthäus 22,37–39; Markus 12,29–31; Lukas 10,27) dazu auffordert, ihn mit ganzem Herzen, ganzer Seele, ganzem Verstand und all unserer Kraft zu lieben, bürdet Gott uns damit keineswegs etwas auf. Im Gegenteil: Im Lichte unserer Herzensstruktur ist dies das herzensbefreiendste, lebenspendendste und wahres-Menschsein-entfaltendste Gebot Gottes. Denn unser Herz sehnt sich nach, ja, schreit nach der Liebe Gottes – danach, von der Liebe Gottes erfüllt zu werden und aus seiner Liebe heraus zu lieben.

Eine Frage des Rhythmus

Unsere Liebe zu Gott wird zu einer treibenden Kraft, die unseren Willen und unsere Gefühle anregt und verändert (Herz), all unsere Gedanken inspiriert (Verstand) und unsere tiefsten Sehnsüchte stimuliert (Seele). Sie motiviert jede einzelne Entscheidung unseres Alltags und beflügelt unser Leben. Sie ist exklusiv, alles übertreffend, gehorsamsliebend und resilient. Gott von ganzem Herzen zu lieben, bedeutet, nur ihn allein zu lieben. Niemand und nichts darf unser Herz vereinnahmen. Wir wollen Gottes Herz erfreuen und nach und nach unseren Willen an seinen angleichen. Gott mit ganzer Seele zu lieben, bedeutet, uns mit allem, was wir sind und haben, nach Gott zu sehnen und in ihm Erfüllung und Freude zu suchen, damit unser Herz im Rhythmus seiner Liebe schlägt. Gott mit ganzem Verstand zu lieben, bedeutet, nach Gottes Wahrheit zu streben, uns ganzheitlich an seinem Wort und seinem Willen auszurichten, um danach zu leben, und unsere Gedanken von seinem Geist erfüllen zu lassen. Gott mit ganzer Kraft zu lieben, bedeutet, jeden Moment, jede Gelegenheit, jede Fähigkeit und jede Macht zu nutzen, um den zu ehren, der uns alles gegeben hat, und trotz aller Anfechtung und Anstrengung beständig auf ihn zu vertrauen.

Rituale und Praxis

Wie können wir nun lernen, Gott zu lieben? Eine einfache Entscheidung reicht hier keineswegs aus. Denn genau wie bei dem Wasserball wird unser Herz immer wieder in die Richtung gedrängt, in die es gepolt ist und nach deren Wertvorstellungen es aktiv lebt. Liebe ist nämlich immer praxisorientiert. Wer seine Liebe ändern will, muss also immer auch – oder vielleicht vor allem – seine Praxis ändern. Seine Alltagsgewohnheiten anpassen. Und seine kulturellen Rituale überdenken. Worauf richten all diese Dinge unser Herz aus? Wer Gott lieben möchte, muss dies gewohnheitsmäßig tun. Schließlich ist unser Herz wie ein Wasserball und kann nicht das eine lieben und das andere leben.