Nicht schon wieder!

Kolumne

Welche Lektionen fürs Leben eine kaputte Waschmaschine und ein Gespräch mit dem Kundendienst uns lehren? Welche Möglichkeiten sich dabei bieten, welche Verlockungen und Gefahren? Doris Schulte hat es erlebt und fragt sich selbst: Brauch‘ ich wirklich noch ein Paar Schuhe?

Jetzt hatte sie schon zum dritten Mal gestreikt und ich musste den Techniker rufen. Als der mit den Reparaturen fertig war und die Rechnung geschrieben hatte, fragte er mich nach dem Alter unserer Waschmaschine. Als ich ihm die vier Jahre alte Rechnung zeigte, schaute er mich wohlwollend an und meinte: „Frau Schulte, Sie müssen jetzt all ihre Unterlagen über diese Maschine zerreißen, denn ich habe auf meine Rechnung geschrieben, dass Ihre Maschine erst zwei Jahre alt ist. Somit kann ich einen Kulanzantrag stellen und Sie müssen nur die Hälfte der Reparaturkosten bezahlen!“ „Wow“, dachte ich, „was für ein großartiges Angebot für Leute, die es leid sind, ihr Urlaubsgeld für Reparaturen auszugeben“. Da stand ich also im Wirtschaftszimmer, der Kundendienst auf der einen Seite und mein Sohn, dem ich immer gepredigt hatte, wie wichtig es sei, die Wahrheit zu sagen, auf der anderen. 

Das Leben versüßen?

Als Christ war mir klar, was Sünde bedeutet, nämlich, ein egoistisches Leben in der Abwendung von Gott zu führen, anstatt mein Leben so zu gestalten, dass es dem Willen Gottes entspricht. Soweit die Theorie. Und jetzt in der Praxis? Innerhalb von Sekundenbruchteilen überlegte ich, was ich mir für das gesparte Geld kaufen könnte, um mein Leben zu versüßen. Außerdem kam mir der Gedanke, dass dieses Angebot vielleicht eine von Gott geschenkte Wiedergutmachung sein könnte für die vielen Reparaturkosten, die wir schon hatten. Meine Gedanken sprangen hin und her, was mir denn wichtiger sei: Das „unrechtmäßig erworbene“ Geld oder der Segen Gottes. Außerdem wollte ich ein gutes Vorbild für meine Kinder sein, denn mir war auch klar, dass Authentizität eine natürliche Autorität bewirkt und eine starke Einladung ist, ebenfalls authentisch zu leben. 

Meine Verwundbarkeit

Weshalb bin ich trotzdem versucht, mich auf dieses Angebot einzulassen? Was steckt dahinter? Will ich mir mit dem Geld ein weiteres Paar Schuhe kaufen? Mein Ego noch mehr füttern? Wenn ich meine Versuchungen anschaue, dann fällt mir auf, dass meine Verwundbarkeit ihnen gegenüber oft aus einem Wunsch nach Anerkennung kommt. Und dies, obwohl ich als Christ verstanden habe, dass das Bedürfnis, mir selbst meinen Wert zu beweisen, niemals befriedigt werden kann und dass mangelndes Selbstbewusstsein die Kehrseite von Stolz ist. Im Klartext: wenn ich das „unmoralische Angebot“ annehme, offenbare ich, dass Gott nicht der Mittelpunkt meines Lebens ist. Mir wird bewusst: dieser Moment ist eine Chance, meine Identität in Gott und nicht in der Anerkennung durch Menschen zu finden.

Das geht nicht über Nacht

Also bat ich den Kundendienst, seine Rechnung zu zerreißen und eine neue zu schreiben, die der Wahrheit entspricht. Danach fühlte ich mich wie eine frischgebackene Lotto-Gewinnerin! Tatsache ist: Heiligung passiert nicht über Nacht. Sie ist harte Arbeit und kann lange dauern. Diese Langfristigkeit passt mir nicht. Wenn ich abnehmen will, dann doch auch am liebsten sofort. Zeitschriften veröffentlichen keine Artikel mit Themen wie „Bauch weg in 20 Jahren“ oder „Besiege fünf schlechte Gewohnheiten in 30 Jahren!“ Die würde kein Mensch lesen. Dennoch will ich dranbleiben und mich von Gott heiligen lassen. Also bete ich nicht nur: „Vater im Himmel, führe mich nicht in Versuchung“, sondern auch: „Führe mich weg von Selbstzweifeln und hin zur Selbstannahme. Führe mich weg von falschen Abhängigkeiten und hin zu deinem Wort und zur Gemeinschaft der Christen. Führe mich ins Gebet und zur Kraft des Heiligen Geistes. Führe mich in den Dienst für dich. Glauben Sie mir: so lebts sich´s gut!

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