SOLA GRATIA Wir brauchen ihm nicht nachzuhelfen
Alltagstauglich
Vier große „sola“, also „allein durch…“, hat uns die Reformation hinterlassen. Und irgendwie glauben wir, dass die auch eine Bedeutung für unseren heutigen Alltag haben müssen. Also alltagstauglich sein sozusagen. Dass wir dabei manchmal das, was uns gut gefällt, mit dem durcheinander bringen, was uns gut tun würde, ist menschlich. Doch die Gnade ist göttlich. Die erste von insgesamt vier Betrachtungen.
Ein Bekannter von uns ist anscheinend sehr fotogen. Auf jeden Fall erhält er mehr Fotos als ihm lieb ist. Auf denen ist er dann am Lenkrad seines Wagens sitzend abgebildet. Schlechte Qualität, aber teuer. Folglich musste er innerhalb eines Jahres seinen Führerschein zweimal abgeben. Beim 2. Mal legte er ohne Zögern Widerspruch ein, denn diese Strafe wurde nur deshalb verhängt, weil er im gleichen Jahr schon einmal viel zu schnell unterwegs gewesen war. Seine Argumentation vor dem Richter erschien logisch: Er hätte ja schon für das erste Vergehen die fällige Strafe bezahlt, deshalb dürfte diese nun nicht noch einmal mit einbezogen und zu seinem neuen Verkehrsdelikt hinzuaddiert werden. Der Richter wusste, dass unser Bekannter im kirchlichen Dienst tätig ist, und entgegnete: „Als Christ verstehe ich Ihr biblisches Verständnis von Gnade, dieses Verständnis ist jedoch nicht Teil unserer staatlichen Rechtsprechung.“
Gott stellt ein Schild auf
Gottes Konzept von Gnade ist ganz anders – fast zu schön, um wahr zu sein. Die Gnade, die er erweist, steht für einen vollkommenen Freispruch ohne versteckte Auflagen. Sie wird gewährt ohne Rücksicht auf unser Vermögen oder Unvermögen, seinem Standard zu entsprechen. Sein wohlwollendes Angebot heißt: „Ich werde meine Gesetze in ihre Herzen legen und werde sie in ihr Innerstes schreiben. Ich werde nie mehr an ihre Sünden und an ihren Ungehorsam gegenüber meinen Geboten denken“ (Heb. 10,16–17). Und noch schöner: „Gott wird sich unser wieder erbarmen, unsere Schuld unter die Füße treten und alle unsre Sünden in die Tiefen des Meeres werfen“ (Micha 7,19)! Zusätzlich stellt Gott ein Schild auf, das für uns persönlich und auch für alle anderen gilt: „Fischen verboten!“ So ist die freundliche, gütige, entgegenkommende und großzügige Gnade Gottes. Sie ist sein unverdientes Geschenk an uns Menschen.
Ich lass dich nicht im Stich
Wie gut, dass Gott so anders ist als wir Menschen. Wie gut, dass Gottes Gnade so anders ist! Sie vergibt und spricht uns frei. Sie ist gnädig und nicht gnadenlos. Um Gottes Gerechtigkeit zu genügen übernimmt er selbst die Kosten, die wir nie bezahlen könnten. Dafür gab Jesus sein Leben am Kreuz von Golgatha. So kamen und kommen auch heute Gerechtigkeit und Gnade zu ihrem Recht. So steht es in der Bibel, und dazu steht Gott – auch in unserem Fall. Trotzdem tun wir Menschen uns manchmal schwer,
die Gunst und Freundlichkeit Gottes für uns selbst in Anspruch zu nehmen – besonders dann, wenn wir versagt oder Gott enttäuscht haben.
„Gottes Gnade ordnet unsere Vergangenheit und befreit uns zu einem echten Neuanfang.“
Nehmen wir mal Petrus, einen Nachfolger und engen Vertrauten von Jesus (Mk. 14). Petrus hatte inbrünstig beteuert, dass er Jesus ganz sicher nicht im Stich lassen und ihm untreu werden würde. Auch wenn alle anderen das täten – er ganz sicher nicht! Er würde sich niemals von Jesus distanzieren und ihn nie verleugnen! Niemals! Ja, und dann, nur wenige Stunden später, war es schon passiert. Petrus hatte bitterlich versagt. Er hatte – wie Jesus es ihm vorausgesagt hatte – seinen geliebten Herrn, Retter und Sinngeber dreimal hintereinander verleugnet. Es war zum Heulen! Und trotzdem war für Jesus die Beziehung zwischen ihm und Petrus nicht aus und vorbei. Tatsache ist: auch wenn wir an Jesus schuldig werden, er bleibt uns treu. Er wartet auf uns – wie er auf Petrus am Strand in Galiläa gewartet hat (Joh. 21). Er will, dass unser gemeinsamer Weg mit ihm weitergeht. Er will und wird uns vergeben. Er hält seine Vergebung schon für uns bereit, ehe wir an ihm schuldig werden, ehe wir selbst überhaupt wissen und erkennen, dass wir an ihm schuldig geworden sind.
Es gibt mehr Gnade als Sünde
Er will genau das zu Ende bringen, was er mit uns angefangen hat. Er knüpft dort an, wo wir stehengeblieben sind. Er will uns weiter auf die Positionen in seinem Reich vorbereiten, zu denen er uns berufen hat. Er will uns wieder in unsere Würde und unsere Aufgaben einsetzen (Joh. 21,15–17). Er bietet uns immer wieder seine Gunst, seine Freundlichkeit und seine Gemeinschaft an – wie einst auch Petrus bei einem Frühstück am Strand. Jesus signalisierte ihm – du hast mich verlassen, doch ich werde das vergessen. Du hast mich verleugnet, doch das habe ich dir vergeben. Gottes Gnade ordnet unsere Vergangenheit und befreit uns zu einem echten Neuanfang. Sie schenkt uns Mut und Kraft, unser Leben, unseren Alltag, unsere Beziehungen neu anzugehen. Wie ein Navigationsgerät uns den Weg zeigt und uns auch für die Geschwindigkeitsbegrenzungen auf der Strecke sensibilisiert, so wird Gott uns führen, wenn wir ihm glauben, sein Wort lesen und unser Denken, Fühlen und Handeln darauf aufbauen. Gott möchte, dass wir wissen und erleben: Es gibt immer mehr Gnade
bei Gott als Sünde bei uns Menschen. Wenn wir dieser großzügigen Gnade Gottes trauen und sie für uns persönlich in Anspruch nehmen, dann brauchen wir die Wahrheit über uns nicht zu fürchten. Wir können uns ihr stellen und Heilung erfahren.
„Es gibt immer mehr Gnade bei Gott als Sünde bei uns Menschen.“
Wir sind dann auch befreit von dem falschen Denken, dass wir erst durch unsere guten Werke oder durch unsere Frömmigkeit Gottes Anerkennung erwerben müssten. Gott hat schon alles getan. Wir brauchen ihm nicht nachzuhelfen. Das ist die Botschaft der Gnade Gottes, der wir trauen und vertrauen sollen.
Auch wenn unser Versagen so offensichtlich ist wie das Beweisfoto bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung, dürfen wir doch wissen: Gottes Gnade genügt ganz gewiss! Durch sie werden wir gerettet. Durch sie finden wir Akzeptanz bei Gott. Durch sie kommen wir in den Himmel. Schlicht und einfach so! Wenn wir glauben und annehmen, was Gott uns schenkt, dann weckt sein Wirken in uns nicht nur die Freiheit, sondern auch das Wissen über die Kostbarkeit dessen, was da geschieht. Gnade ist immer kostenlos, aber niemals billig. Gut, wenn wir das nie vergessen.
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