Jesus hatte keine Vorzimmerdame
Warum Gottes Sohn trotz vollem Terminkalender keinen Burnout hatte
Jesus Christus lebte zwar vor 2000 Jahren, aber stressfrei war sein Leben darum trotzdem nicht. Da waren rechthaberische Theologen, die ihn provozierten, die römische Regierung, die ihm das Leben schwermachte, seine oft anstrengenden Jünger, und dazu noch die vielen Menschen, die ganz persönliche Zuwendung von ihm wollten. Und Jesus hatte auch keine Vorzimmerdame, die unangenehme Menschen von ihm fernhielt. Kurzum: Er hatte einen vollen Terminkalender. Und schaffte es trotzdem, nicht in Hektik zu verfallen. Wie machte er das bloß?
Das war also nun wirklich kein Tag, um gelassen zu bleiben: 5000 hungrige Männer, dazu noch Frauen und Kinder, warteten darauf, dass Jesus sie mit Essen versorgte (siehe Matthäus 14,14–21). Versuchen Sie mal, ein „Picknick“ für Tausende Menschen zu organisieren! Und als Servicepersonal haben Sie niemand anderen zur Verfügung als zwölf unerfahrene Männer, die sich häufig rebellisch und aufmüpfig benehmen und dauernd ihre eigene Meinung einbringen.
Wie hat Jesus solche Tage ausgehalten? Weshalb hatte er keine Magengeschwüre oder Migräne? Wo blieben seine Rückenschmerzen, Depressionen und seine schlaflosen Nächte? Stattdessen bewältigte Jesus alles mit großer Gelassenheit. Wie schaffte er das?
1. Jesus hatte die Fähigkeit, sich abzugrenzen
Jesus konnte Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden. Er war konfliktfähig. Bei Diskussionen hat er auch mal Pharisäer und Politiker stehen lassen, wenn er anderes als wichtiger empfand. Er nahm in Kauf, nicht allen gerecht zu werden und nicht allen zu genügen. Und: Jesus war nicht der Meinung, alles selber machen zu müssen. Er hat vieles an seine Jünger delegiert. Ich habe einmal den Satz gehört: „Wer nicht delegiert, krepiert.“ Für uns heißt dass, uns folgende Fragen zu stellen: Wem gebe ich das Recht, meine Grenzen zu durchbrechen? Und: Muss ich immer reagieren, wenn alle etwas von mir wollen?
Können Sie eigentlich Nein sagen? Wirklich? Ich mache verschiedentlich Teamsupervisionen. Meine Beobachtung: In fast jedem Team – ob im Job, in der Kirchengemeinde oder im Verein – gibt es eine Person, die Termine nicht einhält. Das Resultat ist immer, dass jemand oder gleich mehrere wegen dieser einen Person mehr leisten müssen. Hier muss man klar und deutlich sagen, dass man nicht dafür verantwortlich ist, wenn ein anderer schlecht plant. Setzen Sie darum mit gutem Gewissen Grenzen. Wenn Sie das nämlich nicht tun, entsteht schnell so etwas wie ein „Gewohnheitsrecht“. Grenzen setzen heißt nicht: faul sein. Es heißt: bewusst leben, bewusst Leistung erbringen, bewusst für andere da sein. Aber Jesus setzte nicht nur auf gute Weise Grenzen, er hatte auch noch andere Rezepte gegen die Alltagshektik.
2. Jesus hatte die Fähigkeit, allein zu sein
Selbst gewählte Einsamkeit kann sehr Kraft spendend sein und zu neuen Entdeckungen führen. Jesus suchte sie bewusst, weil er dem dauernden Input seiner Mitmenschen und den Impulsen der Gesellschaft und der Ereignisse ausweichen wollte. Er wusste, dass qualitatives Nachdenken nur in der Stille möglich ist. Jesus brauchte diesen Ort der Einsamkeit, um wirklich beten und fasten zu können. Im Wort Gelassenheit steckt das Wort „lassen“. Loslassen können wir nur, wenn wir sehen, was wir festhalten. Doch die Fähigkeit, allein zu sein, haben viele verloren. Dabei wäre es so wichtig. Dauerbeschäftigte hinterfrage ich darum kritisch: Weshalb lassen sie keine Minute ungeplant?
Jesus legte viel Wert auf diese Einsamkeit. Und wenn sie für ihn gut war, ist sie auch für uns gut, wenn wir eine gute Balance zwischen Tun und Lassen entwickeln wollen. Im Alleinsein gelingt es uns eher loszulassen, das Sorgen zu lassen. Es gibt Menschen, die haben doppelte Sorgen – die von heute und die von morgen. Sie haben verlernt, die Pausentaste zu drücken. Wir alle kennen den „Trampelpfad“ im Gehirn: Immer dieselben Gedanken, Sorgen, Überlegungen, Ängste. Wir versinken in einer Negativspirale, die uns immer weiter nach unten zieht. Die Stille schenkt uns die Möglichkeit, „stop“ zu sagen und uns mit anderen Gedanken zu beschäftigen. Wenn wir darum gelernt haben, uns abzugrenzen und allein zu sein, sind wir auf dem Weg zur Gelassenheit schon ziemlich weit gekommen.
3. Jesus hatte die Fähigkeit, Ruhe zu ertragen
Ruhe ist nicht identisch mit der Einsamkeit, die ich eben erwähnte. In Zeiten der Ruhe geht es darum, der selbstgewählten Einsamkeit Gestalt, Inhalt und Sinn zu geben. Für Jesus war diese Ruhe eine kreative Tankstelle. Aus ihr heraus konnte er souverän reagieren, wenn es mal wieder drunter und drüber ging. Wenn Pharisäer ihn anklagten, wenn Jünger mal wieder stritten, ja sogar als er den Weg zur Kreuzigung ging.
Betrachten wir einmal die vierzig Tage, die Jesus in der Wüste verbrachte (Matthäus 4,1–11). Jesus gestaltete diese Zeit der Einsamkeit ganz bewusst, indem er die Beziehung zu seinem himmlischen Vater pflegte. Als dann die Auseinandersetzung mit dem Teufel kam, konnte Jesus souverän reagieren. Er konnte ihn klar in die Schranken weisen: „Deine Hektik, deine Machtgelüste, deine falschen Gedanken beeindrucken mich nicht. Ich weiß, was Sache ist!“ Jesus agierte mit der Kraft, die er aus der Ruhe gewonnen hatte.
In der Ruhe passiert oft mehr, als wir ahnen. Hier erhielt Jesus eine Prägung, die sich nicht einfach vom Alltagsgeschehen „überprägen“ ließ. Für uns heißt das: Ruhe zu entdecken ist mehr, als einfach still sein. Wir müssen lernen, Ruhe bewusst zu gestalten – oder vielmehr: sie eben gerade nicht zu gestalten. Manchmal kann es reichen, einfach nur einen Text zu lesen oder leiser Musik zu lauschen. Oder einfach die Zeit zu genießen, ohne gleich wieder eine Leistung zu erbringen.
Ruhe zu gestalten kann aber auch bedeuten, Lebensentwürfe zu hinterfragen („Warum mache ich eigentlich, was ich mache?“), sich Lebensmuster bewusst zu machen und nötigenfalls zu korrigieren. Oft können wir erst in der Ruhe definieren, was uns wichtig ist und was nicht. Müssen wir immer erst krank werden, bis wir vernünftig werden?
Wenn wir gelernt haben, uns abzugrenzen, die Einsamkeit zu ertragen und im Gebet und in der Ruhe gemeinsam mit Gott unserem Leben Richtung zu geben, kommen wir automatisch zu dem letzten wichtigen Punkt, in dem Jesus uns Vorbild ist.
4. Jesus hatte die Fähigkeit, sich selbst zu lieben
Jesus bezog seine Identität nicht aus seiner Leistung. Vielmehr besaß er ein gesundes „Selbstbewusstsein“, weil er sich von Gott geliebt wusste. „So, wie mich mein Vater geliebt hat, so liebe ich euch“, sagte er zu seinen Jüngern (Johannes 15,9). Und im Wissen um diese Liebe fordert er auch uns auf, uns selbst zu lieben. Auch dann, wenn unsere Kindheitsprägungen vielleicht negativ sind und auch unabhängig davon, ob uns Partner, Kinder oder Freunde Liebesgeständnisse machen. Denn wenn wir uns selber nicht lieben, wieso sollen es dann die anderen tun? Frage: Liebe ich mich aufgrund meiner Leistungen – oder liebe ich mich, weil ich mich von Jesus geliebt weiß? Und weshalb denke ich oft so negativ über mich, wo doch Gott selber nur gute Gedanken über mich denkt? Wir dürfen lernen, gut über uns zu denken, so wie es unser himmlischer Vater tut. Wer sich in einem solch gesunden Maß liebt und in sich ruht, bleibt gelassen und strahlt das auch nach außen aus.
Wann haben Sie das letzte Mal etwas nur für sich getan? Hatten Sie dabei ein gutes Gewissen – oder waren Sie schon froh, kein schlechtes zu haben? Die meisten von uns haben Angst, als faul zu gelten, wenn sie nicht immer aktiv sind, nicht immer Leistung bringen, nicht jederzeit für alle ein offenes Ohr haben und dabei nicht auch noch gut gelaunt und fröhlich wirken. Doch so ein Lebensstil rächt sich! Wenn Jesus Auszeiten brauchte und sich gegönnt hat, kann es nicht so falsch sein, wenn auch wir das tun. Oder halten wir uns für stärker als Jesus? Denken Sie einmal an Psalm 23: Er beginnt mit „Der Herr ist mein Hirte“ – und nicht mit „Der Herr ist mein Jagdhund“! Da ist die Rede von grünen Auen und frischem Wasser, vom gedeckten Tisch. Das heißt: Wir dürfen zu der Ruhe kommen, die Gott für uns gedacht hat.
Unsere Stärken leben
Und damit komme ich zu einem letzten Gedanken: Wir dürfen lernen, unsere Stärken und Schwächen objektiv zu betrachten. Glauben Sie mir: Das ist unwahrscheinlich energiesparend! Ein Beispiel: Während meiner Abschlussprüfungen für Marketing und Management gab es selbstverständlich auch den Bereich Rechnungswesen. Ich kam gut voran, lag ordentlich in der Zeit. Bis ich zu einer dieser Fragen zum Rechnungswesen kam. Da dies nicht meine Stärke war, überlegte ich kurz, wie lange ich für die Lösung dieser Aufgabe brauchen würde. Ich kam zum Schluss, dass sie mich zu sehr blockieren und mir diese Zeit dann für die anderen Dinge fehlen würde. Also schrieb ich: „Mit dieser Aufgabe würde ich meinen kaufmännischen Leiter beauftragen und ihn bitten, mir Lösungen zu präsentieren.“ Überraschenderweise habe ich für diese „pragmatische Antwort“ sogar einen Punkt erhalten und dazu erwähnte sie ein Dozent lobend in seiner Abschlussrede. Man kann im Leben nicht machen, wozu man nicht begabt ist. Es gibt Pflichten, das ist klar. Aber wenn wir bewusst mit unseren Stärken und Begabungen arbeiten, bewirken wir mehr, als wenn wir bloß tun, was andere von uns erwarten.
Wir gestalten unser Leben dann optimal, wenn wir auf den schauen, der von sich selber sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Johannes 14,6). Mit dieser Zusage im Rücken darf ich entscheiden, wie ich durchs Leben gehen will. Ich muss mir sicher sein, dass ich auf Wegen unterwegs bin, die ich gewählt habe – nicht auf denen, die andere für mich gewählt haben. Ich kann wahrhaftig sein – mir gegenüber, anderen gegenüber und Gott gegenüber. Nur so werde ich das Ziel erreichen.
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