Sonnenscheinkinder.

Sonea ist eins davon.

Zwei Tage nach Soneas Geburt – wir hatten gerade ziemlich unsensibel die Diagnose „Down-Syndrom“ um die Ohren gepfeffert bekommen – besuchte uns die Tante meines Mannes im Krankenhaus. Sie trat so völlig unbefangen an Soneas Bettchen, dass ich gleich ansetzte „Weißt du schon…?“ „Ja und?“, unterbrach sie mich, „das sind Sonnenscheinkinder!“

Sonnenscheinkinder. Das war so ziemlich das Schönste und Aufbauendste, was ich in den vergangenen Stunden gehört hatte. Und es zauberte sogar ein kleines Lächeln in mein tränenverschmiertes Gesicht. Sonnenscheinkinder. Wie passend, dass wir in der Schwangerschaft beschlossen hatten, unser Kind Sonea zu nennen, wenn es ein Mädchen wird. Sonea bedeutet Sonne, und auch Gold.

Die Tage und Wochen nach der Diagnose waren wahrlich nicht die schönsten in meinem Leben. Aber das sollte sich schneller ändern, als ich es für möglich gehalten hatte. Heute zum Beispiel kommt mein Sonnenschein aus der Kita und statt ein Küsschens bekomme ich zur Begrüßung ein fragendes „Eiiiiiis?“ „Nein, wir haben kein Eis“ – und ich leiere Sonea noch das obligatorische „Schuhe aus! Jacke aus! Hände waschen!“ hinterher, während sie zielstrebig in die Küche zum Kühlschrank stapft. Sofort ziehen imaginäre dicke Gewitterwolken an unserer Küchendecke auf und Sonea fängt ein Riesen-Geschrei an, weil sie ihr Eis haben will. In Momenten wie diesen können Sie das mit dem Sonnenschein mal dezent vergessen. Hatte ich schon erwähnt, dass eine andere Wortbedeutung von Sonea auch „Klang“, beziehungsweise „Laut“ ist? Nein? Hier ist es nämlich gerade ziemlich laut! Der kleine Dickkopf will nämlich partout seinen Willen, sprich:

„Manchmal ist das kleine Glück das Größte auf Erden.“

Eis. Da gibt es aus pädagogischer Sicht natürlich nur zwei Möglichkeiten: ignorieren oder … ignorieren. Eine Aufgabe für Fortgeschrittene.

Sonea und ich im Supermarkt. Ich halte mich für extrem clever, weil ich ihr noch vor dem Eingang eine Brezel kaufe. Aber was nützt einem das, wenn im Supermarkt dann an jeder Ecke Überraschungseier lauern, die von Sonea aus mir nicht ganz verständlichen Gründen geliebt werden? Die Brezel fliegt also im hohen Bogen davon und Sonea brüllt den ganzen Laden zusammen. Laut, sehr laut. Sonea halt. Auch hier ist nix mit Sonnenschein. Die Leute gucken schon komisch und wahrscheinlich denken die alle, was ich in solchen Momenten auch gedacht habe, bevor ich eigene Kinder hatte. Mit gesunder Gesichtsfarbe versuche ich, das Kind irgendwie ruhig zu stellen und vergesse beim Einkauf die Hälfte. Multitasking ist leider defekt. Völlig gestresst versuche ich es also mit Bestechung und säusele zähneknirschend: „Wenn du jetzt lieb bist und aufhörst zu schreien, dann bekommst du dein Überraschungsei!“ Ich weiß, pädagogisch gesehen eine rote Karte für mich. Aber hey: Das ist der ultimative Off-Knopf in Momenten wie diesen.

Sie fragen sich, was ein Kind wie dieses mit Sonnenschein zu tun hat? Sonea hat mir die Augen für viele Dinge geöffnet. Und vor allem hat sie mir gezeigt, dass man nicht seine Zeit damit verschwenden sollte, nach dem großen Glück zu suchen, wenn man schon längst das kleine Glück gefunden hat. Und manchmal ist das kleine Glück eben das Größte auf Erden.