Bis es fast zu spät war ...
Wenn es um Essstörungen geht, spricht man gerne in Statistiken, um die Dramatik der Häufigkeit deutlich aufzuzeigen. Leider muss ich, als ehemals betroffene junge Frau sagen, dass es noch viel schlimmer ist als das. Die Dunkelziffer ist viel höher als das, was wir tatsächlich auf Papier sehen. Lange Jahre konnte ich selbst meine Krankheit durch Lügen, weite Kleidung und ein gestörtes Essverhalten verstecken. Bis es fast zu spät war.... Im Alter von 14 Jahren begann ich, insgesamt 30 Kilo abzunehmen und wusste genau, wie ich alle in meinem Umfeld um den Finger wickeln kann – lange Zeit sogar meine eigenen Eltern.
Was esse ich heute, was esse ich nicht?
Es mag auf den ersten Blick kontraproduktiv wirken, doch was einem Menschen, der unter Essstörungen leidet, wirklich hilft, ist NICHT nachzufragen. Man muss sich vorstellen, dass die betroffene Person eh schon unter einem konstanten „was esse ich heute – was esse ich nicht? Werde ich alle Kalorien los?“ Druck leidet, der sie selbst schon völlig durcheinander bringt. Ungeplante Situationen, ein Zwischenstopp bei McDonald’s oder Kaffee & Kuchen bei Besuch, ist solch eine große Belastung, dass die Stimmung der Person selbstverständlich komplett kippt. Für gesunde Menschen ist das etwas, was Freude auslöst. Für Magersüchtige ein Extremfall. „Wenn ich bei McDonald’s reinlaufe, da riecht es doch nach Pommes-Fett. Was, wenn das durch meine Nase in den Körper dringt und ich dadurch zunehme?“ Vielleicht bringen Sie solche Aussagen zum Lachen. Für Essgestörte ist das die pure Realität.
Vertrauen als Schlüssel zum Herzen
Bauen Sie Vertrauen auf und nehmen Sie die Betroffene ernst, auch wenn Ihnen die Gedankengänge erst einmal absurd vorkommen. Vertrauen ist der Schlüssel zum Herzen. Ganz konkret: Wenn Sie mit der betroffenen Person shoppen sind, machen Sie eine Pause, genießen Sie Ihren Latte Macchiato und Ihr Stück Kuchen, auch wenn Ihre Begleitung nur an einem Glas Wasser nippt. Zeigen Sie ihr, dass es normal ist, dies zu tun und lächeln Sie sie dabei selbstbewusst an. Gehen Sie aber nicht direkt auf das Thema ein.
Geben Sie den Wert zurück
Überschütten Sie die Person mit Liebe. Nehmen Sie sie in den Arm. Magersüchtige sehnen sich nach Liebe und Aufmerksamkeit, fühlen sich aber unverstanden und distanzieren sich deswegen. Geben Sie ihr ihren Wert zurück, ohne ihr direkt etwas zu ihrer Figur zu sagen. Egal was Sie sagen, gerät nämlich in den falschen Hals. Zum Beispiel kann ein: „Du siehst aber gut aus heute!“ bedeuten: „Wow, du hast zugenommen.“ Deswegen sind Worte auf die Figur bezogen mit Bedacht zu wählen. Lieber Komplimente über die Frisur, den Schmuck, die Kleidung machen. Wenn Sie es schaffen, das Vertrauen der Betroffenen zu gewinnen, werden Sie die Erste sein, die sie ansprechen wird, wenn sie merkt, dass sie soweit ist, sich Hilfe zu holen! Nicht die Person, die sie immer unter Druck zum Essen gezwungen hat. Nutzen Sie vorsichtig vertraute Momente, um knappe Sätze, wie: „Hey, wenn du Hilfe brauchst, ich bin da“, fallen zu lassen. Sie mögen kurz sein, doch die Betroffene hört diese ganz genau und merkt sie sich. Magersüchtige sind nicht naiv, gar dumm, sie sind unglaublich gescheit.
Als ich wusste, dass ich nicht mehr lange leben würde…
Meine Eltern haben es geschafft, mich mit ihrer Liebe durch die Krankheit zu begleiten. Ihren Schmerz, ihre Angst und Sorge haben sie nachts miteinander unter Tränen ausgetauscht und vor Gott gebracht. Was für ein Paar ganz wichtig ist, damit es nicht daran zerbricht. Als die Zeit reif war und ich gemerkt habe, dass ich nicht mehr lange leben würde, lief ich nachts in ihr Zimmer, während sie beteten und bat um Vergebung und Hilfe... weil ich die ganze Zeit wusste, dass sie mich lieben, wie ich bin, für mich da sind, trotz meines Versagens... und jetzt war ich bereit, weil ich ihnen vertrauen konnte.
Der Begriff Magersucht (Anorexie) bezeichnet eine krankhafte Essstörung, die gekennzeichnet ist durch einen starken selbst verursachten Gewichtsverlust und gleichzeitig durch eine große Angst vor einer Gewichtszunahme. Die Bezeichnung Anorexie für Magersucht leitet sich von dem lateinischen Begriff Anorexia nervosa ab:
Anorexia bedeutet Appetitverlust oder Appetitverminderung, was irreführend ist, da bei der Magersucht nicht der Appetit, sondern in erster Linie das Essverhalten gestört ist.
Der Zusatz nervosa weist auf die psychischen Auslöser der Magersucht hin. Die Magersucht ist mit der Ess-Brech-Sucht (Bulimie) verwandt. Im Vordergrund der Magersucht steht der starke Wille, das Körpergewicht dauerhaft stark zu vermindern. Am häufigsten ist die Anorexie bei 14-jährigen Mädchen zu beobachten; bei Jungen ist diese Essstörung selten.
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