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Beichten? Gerne!

Ratgeber

Zu einem in vielen Köpfen eher mit katholischer Tradition verhafteten Thema sagte einst der evangelische Theologe Michael Herbst: „Wer gebeichtet hat, wird es immer wieder tun“. Ernsthaft? Ist die Beichte nicht eine eher peinliche und unangenehme Sache? Eine maximal lästige Pflichtübung, der man sich nicht entziehen kann? Von Ulrich Müller.

Nach einem Gottesdienst bat Peter (Name geändert) mich und ein anderes Mitglied der Gemeindeleitung um ein kurzes Gespräch. Er spürte Klärungsbedarf mit Gott. Wir setzten uns gemeinsam in eine ruhige Ecke – und Peter erzählte: Ein Bereich seines Lebens war völlig aus dem Ruder gelaufen. Er sprach offen und ehrlich aus, wo er sich falsch verhalten hatte, wo sich schädliche Verhaltensmuster verfestigt hatten und welche zerstörerischen Folgen diese bereits hatten. Man sah ihm schon an seiner gebeugten Haltung an, dass das Thema ihm ziemlich zu schaffen machte, dass Leidensdruck bestand. Nachdem Peter vor uns und vor Gott konkret seine Schuld bekannt hatte, konnten wir ihm Gottes Vergebung persönlich zusprechen. Ich habe noch genau vor Augen, dass er deutlich aufrechter und optimistischer nach Hause ging, als er gekommen war.

Beichten befreit die Seele

Beichten an sich ist ziemlich unspektakulär – aber ungeheuer wirksam: Man tauscht belastende Schuld gegen die Zusage befreiender Vergebung ein, die Gott einem zuspricht (Psalm 32,1–5). Gerade bei gravierenden Geschichten oder verzwickten Situationen hilft es, dass man nicht nur allein mit Gott redet, sondern zusätzlich eine weitere Person des Vertrauens mit einbezieht. Manchmal tragen vorsichtige Fragen des Gesprächspartners entscheidend dazu bei, Gedanken zu sortieren und den Kern der Sache herauszuarbeiten.

Aber das Wichtigste ist: es tut so gut, wenn der Gesprächspartner dem Beichtenden am Ende der Begegnung zuspricht: „Dir sind deine Sünden vergeben!“. Auf diese „Absolution“ nicht nur still zu hoffen, sondern sie – vielleicht auch unter respektvollem Auflegen der Hände – laut ausgesprochen zu hören, das macht göttliche Vergebung greifbar! Es tut gut zu hören, dass Gott einen trotz allem liebt und gerade jetzt nicht allein lässt. Im Glaubensbruder, in der Glaubensschwester ist Christus gegenwärtig – und nein, der Gesprächspartner muss nicht zwingend ein Pastor oder Priester sein.  

Beichten schafft Veränderung

Vor einigen Jahren saß ich länger mit einer lebenserfahrenen Zisterzienser-Nonne aus Süddeutschland zusammen. Sie erzählte, dass sie zahlreiche seelsorgerische Begegnungen habe, in denen Gäste des Klosters häufig ungeklärte, belastende Schuld zur Sprache brächten. Ich fragte nach: die Absolution – also das Zusprechen der Vergebung der bekannten Schuld – dürfe sie ihren Gesprächspartnern doch gar nicht zusprechen?! Ihre selbstbewusste Antwort: „Formal müsste ich die Leute dafür natürlich weiterverweisen an einen Priester. Aber ich sage ihnen: ‚Wenn Sie ernsthaft bereuen, wird Gott das entsprechend aufnehmen! Dann ist Ihnen vergeben!‘ Das reichte bisher noch jedem!“

Sie hat recht: Die Bibel fordert Menschen, die mit Gott leben wollen, auf, sich gegenseitig Schuld zu bekennen (Jakobus 5,16; Galater 6,1f). Jeder Christ kann ein Beichtgespräch führen und dem Beichtenden – echte Reue vorausgesetzt – anschließend die Vergebung der Schuld zusprechen (1. Johannes 1,9). Beichten heißt also, ausgewählten Personen in einem geeigneten seelsorgerischen Rahmen belastende Schattenseiten offenzulegen – und sich dadurch für Gottes wärmende Sonnenstrahlen zu öffnen. Möglicherweise kann man anschließend mit dem Gesprächspartner noch weitere Schritte oder eine weitere Begleitung besprechen, damit der neue Anfang nach den ersten Schritten in Richtung Veränderung nicht sofort wieder zu Ende ist.

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