Der Ober-Reparateur
Von Phil Callaway
Ein Schlüssel zum Gelingen unserer mehr als 30-jährigen Ehe ist, dass Ramona sehr geringe Erwartungen an mich hat. Heute geriet sie in Ekstase, als ich einen verstopften Abfluss freigemacht habe. Eigentlich habe ich nur etwas Wasser laufen lassen, einmal in den Ausguss gebrüllt und das Ding war wieder in Ordnung. Keine Ahnung warum! Aber Ramona war sehr froh über mich. Sie konnte sich kaum noch einkriegen. Einmal habe ich eine quietschende Tür für sie geölt. Sie war so berührt, dass sie fast zu weinen begann. Geringe Erwartungen sind so ein Segen!
Aber nicht immer laufen die Dinge so glatt im „Phil-und-Ramona-Land“. Manchmal nervt es mich zum Beispiel, dass meine Frau Sachen wegwirft. Einfach so. Heute habe ich sie dabei erwischt, wie sie heimlich zwei Taschen voll mit meinen persönlichen Dingen in den Kofferraum gepackt hat – für die Heilsarmee. Alles in tadellosem Zustand. Compact-Cassetten. Eine wundervolle Armbanduhr. Sie tickt nicht mehr, aber sie hat Golfball-Zeiger. Sehr schön. Hosen, die mir sehr gut standen … damals, als ich noch zur Schule ging. Ich sehe schon, dass wir niemals Kandidaten für die Messie-Show im Fernsehen werden.
Ich wuchs unterhalb der Armutsgrenze auf, also haben wir nie irgendetwas weggeworfen (außer einem Baseball, der keine Hülle mehr hatte). Wir haben die Sachen aufgehoben. Und wenn etwas kaputt war, haben wir es repariert. Dann traf ich meine Frau. Habe ich schon erwähnt, dass sie Dingen einfach den Laufpass gibt? Aber wissen Sie: Ich bin doch dankbar, dass sie niemals die falschen Dinge wegschmeißt.
Ein Reporter fragte ein Paar, wie sie es geschafft hätten, 65 Jahre verheiratet zu sein. Die Frau antwortete: „Wir wurden in einer Zeit geboren, als man etwas noch reparierte, wenn es kaputt war.“ Das ist einer der Schlüssel zu einem von Freude erfüllten Leben. Durchzuhalten mit dem, von dem wir überzeugt sind, die Demut aufzubringen, an den Dingen zu arbeiten, auch wenn die ganze Welt schreit: „Schmeiß es hin und hau ab!“
Ich bin in den 1960er-Jahren aufgewachsen, dem „Goldenen Zeitalter des Reparierens“. Mama verwendete öfter Alufolie und Teebeutel mehrfach. Mama wachste die Fußböden, damit sie länger in Ordnung blieben. Sie flickte Hosen und bastelte ihre eigenen Postkarten. Und Papa dachte nicht im Traum daran, dass irgendjemand außer er selbst den Ölwechsel machen würde, oder etwa daran, neue Schuhe zu kaufen, wenn man die alten noch mal zum Schuster bringen konnte.
Ich nehme an, dass mich das Aufwachsen im Zeitalter des Reparierens gelehrt hat, dass man nicht nur Radios, Kühlschränke oder Kinderspielzeug reparieren kann. Man kann auch Freundschaften wieder in Ordnung bringen. Man kann sogar Ehen kitten.
Doch weil all dies Gerede über früher mich gerade etwas nostalgisch gemacht hat, gibt es noch etwas anderes dazu zu sagen: Wenn Sie jemals merken, dass Sie sich nach den vergangenen Zeiten ohne Elektrizität (aber mit Plumpsklo) sehnen, denken Sie daran, dass die „gute alte Zeit“ nicht immer gut war. Tatsächlich warnt uns der Autor der Klagelieder in der Bibel, nicht zu fragen, „warum die früheren Tage besser gewesen seien, als die heutigen, denn das ist nicht weise“ (Klagelieder 7,10). Aber hier ist eine sehr weise Frage: „Was erwartet Gott heute von mir?“ Micha 6,8 antwortet darauf, dass wir gerecht handeln, Barmherzigkeit lieben und demütig mit unserem Gott leben sollten. Wir können nichts an 1963 oder letztem Mittwoch ändern. Aber wir können heute das Leben gestalten.
Und ganz gewiss gehört dazu, das Zerbrochene zu verbinden, Freundschaften in Ordnung zu bringen und Partnerschaften zu kitten. Ich denke, ich beginne damit, Ramona dafür zu danken, dass sie weiß, was man wegtun und was man behalten sollte. Und ich bin froh, dass sie mich behalten hat, auch wenn sie kurz davor steht, ein gebatiktes Hemd rauszuwerfen, dessen Verfallsdatum erst 1973 war.
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